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Ein grüner Wurm in einer mit gelben Faden gefederten Geschichte

Eine Geschichte von Mediana Stan, Zeichung von Ráduly Melinda.

„Na, was macht denn Andrei? Hat er die Klasse bestanden?”, fragte mich ein Freund,
der zu uns zu Besuch kam. Er wusste, dass mein Sohnemann ziemlich faul in der Schule war und sich nicht viel anstrengte. Andrei interessierte sich eben nur fürs Fahrrad und fürs Rollen fahren, sonst für gar nichts. 
          „Andrei hat sich unglaublich verändert. Jetzt ist der Erste in seiner Klasse, man erkennt ihn kaum wieder. Es scheint so zu sein, wie er es mir erklärt hat. Er sagt nämlich, dass in ihm jetzt ein neugieriger und wissensdurstiger Wurm steckt. … Entschuldigung … um genau zu sein … der Wurm der Neugier.
Mein Kumpel machte große Augen …
„ Wieee bitteee? 
„Lass mich mal erzählen …“. In diesem Herbst war Andrei bei seinen Großeltern zu Besuch.  Als er durch den Obstgarten streifte, hat er eine Birne gegessen. Plötzlich sieht er das Gras riesig wachsen, sodass er nur noch die Spitzen der Bäume sah. Er ist so winzig klein geworden, wie ein Käfer. Andrei irrte durch das getrocknete Laubwerk und hütete sich vor einer Hornisse, ihm war ganz schön mulmig dabei. Abends hat ihn ein Vogel erhascht und wollte ihn als Futter seinen Küken anbieten.

Andrei konnte sich irgendwie aus dem Nest befreien, husch ist er auf die Ăste geklettert und davon geflitzt.
          Als er so rannte, erblickte er plötzlich in der Baumkrone eine Birne, die so aussah, ob sie von drinnen leuchtet. Andrei ging bis zu der Birne und sah, dass sie ein Türchen hatte. Klopf! Klopf! Ein Wurm mit einer Brille vor seinen schwarzen und leuchtenden Augen und ein Mund bis zu den Ohren machte die Tür auf. Er machte so komische schlauchförmige Bewegungen, ob er eine Stütze in der Luft suchte. Der Wurm hielt ein Buch in der Hand, ein Finger war zwischen die Seiten geklemmt.
          Andrei begrüßte den Bewohner der Birne und der Wurm fing so prächtig zu lachen an, dass seine Ringe richtig bebten. Er sagte mit einer dünnen, zarten und heißen Stimme:

„Oh, oh, oh! Heute Abend erwarte ich zwar keine Gäste, aber tritt bitte ein. Ich bin be - gei - stert! Der Junge ging in die Birne hinein, dort wurde er gebeten sich auf eine Wabe, die mit weißer Seide umhüllt war, Platz zu nehmen.      
Er hatte sich kaum richtig hingesetzt, als der Wurm ihn aufforderte:
„Sag schnell : un ver vert dans un verre vert! „
Andrei blickte etwas verwirrt, dennoch wiederholte er die Wörter während der Gastgeber mit seinen schlauchförmigen Bewegungen im Haus hin und her glitt.
             Auf dem Tisch, in deren Mitte eine kleine gelbe Lampe brannte, deren süße und saftige Seiten tröpfelten und schön dufteten.   
      Im Raum befanden sich viele Regale voller Bücher. Er konnte flüchtig einige Buchtitel wie Biologie, Zoologie, Jules Vernes, Kant lesen. Der Wurm setzte seine Brille neben der Lampe. Auf dem Tisch stand ein offenes Buch, mit den Seiten nach unten. Er reckte seine Arme so weit nach oben, wie es ging, danach stellte er sich auf seinen Kopf und sagte: „Ich mag sehr gerne lesen, besonders am Abend. Während ich am Tage mehr studiere und forsche.“ Komm mit! Ich will dir etwas zeigen!“ Er führte den Jungen in ein Wurmloch, das als Labor diente und voll mit Eprouvetten, Mörsern, Schmelztiegeln, Mikroskopen und sogar mit einem Teleskop ausgestattet war. „Schau mal! Hier verbringe ich meine meiste Zeit. Mit Lesen, das Erforschen von Blättern und Insekten und mit der Durchführung verschiedener Experimente“.      Andrei schaute durch das Mikroskop und beobachtete dabei die Chlorophyllstückchen eines Blattes.

Andrei schaute durch das Mikroskop und beobachtete dabei die Chlorophyllstückchen eines Blattes. Später sind sie wieder ins Wohnzimmer zurückgekehrt und der Junge erzählte ihm seine Geschichte und wie er beim Herrn Wurm gelandet ist.  
Der Gastgeber wippte von einem Fuß auf den anderen und sagte: 
„Du musst dich nicht fürchten, dass du so klein bist. Sieh mich an! Ich bin doch genau so klein, aber das ist mir egal. Wichtig ist, was man hier drinnen hat und tippte sich dabei mit dem Finger an seine Schläfe. Wenn du gehst, solltest du eine Birne essen und dann wirst wieder wachsen. Jetzt hole ich dir mal etwas Honigstrudel, den ich von der Frau Biene bekommen habe.“  Er ging in die Speisekammer und brachte den Kuchen auf einem Blatt. Andrei lief schon das Wasser im Mund zusammen. Er musste ein paar Mal schlucken, das war ihm ziemlich peinlich, aber der Wurm tat so, ob er es gar nicht bemerkt hätte. Nach dem Essen redeten sie bis früh in den Morgen.

 Herr Wurm beklagte sich über die kaputte Linse eines seiner Mikroskopen und wie teuer solche Linsen sind. Er meinte, dass sein Labor bei weitem nicht so gut ausgestattet ist, wie es sein sollte. Der Wurm erzählte ihm noch über den Specht, der sich einen Flügel gebrochen hatte und deswegen konnte er die Bäume nicht von den Raupen säubern. 
             Als der Tag  anbrach, verabschiedete sich Andrei von dem Gastgeber. Der Wurm löschte die Lampe aus und brachte Andrei noch bis zur Tür. 
„Machs gut und kommt gut nach Hause!“, rief der Wurm nach und verschwand ohne eine Spur. 
      Im grauen Morgen irrte Andrei noch ein wenig durch die Bäume, als er einen großen Stieglitz sah, der von Ast zu Ast sprang. Er fing schnell an der Birne zu knabbern und begann langsam zu wachsen. 
      Je mehr er wuchs, desto größer wurde seine Bisse. Der Junge spuckte ein paar Kerne aus und hatte dabei den Eindruck, dass aus seinem Mund auch noch ein paar bekannte Dinge wie ein Mikroskop, ein Mörser, Stühlchen und Schränkchen mit herausgekommen sind.  Er hatte gerade den Herrn Wurm samt seinem Labor aufgegessen.  Es war nichts mehr zu machen, er hielt in seiner Hand gerade noch ein Stückchen Birne. Er aß nun noch den Rest auf, um richtig wieder groß zu werden. Als er mit dem Essen fertig war, kletterte er aus dem Baum und kehrte zu seinen Großeltern zurück.

 So wie er traurig zu dem Haus schlenderte und darüber nachdachte, dass er gerade aus Versehen das Häuschen des Herrn Wurms aufgefressen hatte, hörte er plötzlich eine Stimme, die aus dem Inneren seines Körpers kam.
      „Andreeiii! Ich bin es! Der Wurm!“
      „Wo bist du?,“ fragte Andrei.
      „Hier bin ich, auf einer Mandel aus rotem Samt.“
      „Komm raus!“
      „Weißt du, ich möchte gerne nachforschen, was oben sich so befindet!“, sagte Herr Wurm.
So einem freundlichen Gastgeber konnte Andrei die Reise nicht verweigern.
      „Alles klar. Du kannst hochsteigen!“
Der Wurm ist hochgeklettert, entweder ist er im Kopf geblieben, wo er sich genauso wohl fühlte wie bei sich zu Hause oder er ist durch die Ohren herausgekrochen und dabei hat er seine Neugier und sein Wissensdurst in Andreils Körper gelassen. Ab dem Zeitpunkt hatte Andrei nie mehr etwas von ihm gehört und er selbst ist ständig von dem Wunsch mehr zu wissen gedrängt. Er liest, sucht und forscht. Die Antwort auf eine Frage führt zu anderen offenen Fragen.   
      „Und du hast diese Geschichte wirklich geschluckt? ...Sie ist doch mit weißem Faden genäht“..
      „Sogar mit gelben wie die Birne“, antwortete ich und beide lachten wir herzhaft.