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Die wahrste lüge

Eine Geschichte von Alina Nelega, Übersetzt von Alois Kommer, Zeichnung von Szitai György-Ferenc. 

Interpretiert von Inge Ziegler.

Es war einmal eine Hexe. Sie war die schlimmste unter den guten Hexen. Sie lebte in der größten Hütte im jüngsten Urwald. Ihr Haus war nicht weiß, auch nicht gelb, auch nicht lila, nicht einmal schwarz. Eigentlich war es die weißeste schwarze Hütte und zugleich die röteste rosa Hütte.  
Eines Tages – es war der sonnigste verregnete Tag – irrten zwei Buben durch die Gegend. Der Eine hatte die blausten grünen Augen auf der ganzen Welt sowie die blondesten braunen Haare. Der Andere war der tapferste Feigling. Die Hexe war in der Hütte, die Buben merkten, wie die Hexe sie durch den Vorhang beobachtete.

- Ah, liebe Hexe, gib uns ein wenig Wasser … Wir sind sehr durstig, wir sind nämlich auf dem geradesten Weg hierher geschlängelt.

- Trinkt doch, der Brunnen ist doch vor eurer Nase! Sie tranken und tranken … Weil es aber die kälteste Thermalquelle war, die unter der Hütte der schlimmsten guten Hexe floss, wuchsen den Beiden Eselsohren. Solche kurze Eselsohren sah noch kein Mensch, dennoch waren es Eselsohren.

Die Buben haben sich fast totgelacht, als sie ihre neuen Ohren erblickt haben. Dann haben sie geheult … Und schließlich fingen sie an nachzudenken, was sie jetzt nur tun sollten.- So können wir doch nicht weiterziehen – sagten sie. Darauf hat die Hexe nur gewartet! Sie sprach zu ihnen:
- Ich weiß, wie ihr eure Eselsohren loswerdet. Als Gegenleistung müsst ihr mir aber eine Geschichte erzählen.

- So können wir doch nicht weiterziehen – sagten sie. Darauf hat die Hexe nur gewartet! Sie sprach zu ihnen:

- Ich weiß, wie ihr eure Eselsohren loswerdet. Als Gegenleistung müsst ihr mir aber eine Geschichte erzählen.    Bla bla bla a

- Klar. Wir kennen sehr viele Geschichten.

- Welche willst du denn hören?

- Ich wiiiiiiiiiiiiiiiilllll… ich will, dass ihr mir die wahrste Lüge erzählt! Ihr sollt mir die Geschichte so erzählen, dass keiner merken kann, was daran wahr ist und was die Lüge ist! Schafft ihr das? Wenn nicht, dann bleibt ihr für immer bei mir!

Die Buben machten sich Gedanken. Sollte es ihnen nicht gelingen, die wahrste Lüge zu erzählen, müssten sie für immer die Sklaven der Hexe bleiben. Als wäre dies nicht genug - sie würden ihre Ohren auch niemals loswerden. Sie würden für immer Eselsohren am Kopf haben. Sie haben noch ein wenig gegrübelt, dann begannen sie unter den grimmigen Blicken der Hexe eine Geschichte zu erzählen:

- Also, hörl her! Die Ziege, der Löwe und die Kuh haben sich verbündet. Sie wollten mit ihren Ersparnissen gemeinsam einen Gasthof am Rande des Waldes eröffnen. Aber die Ziege …

- Ihr lügt! So was gibt es gar nicht. Der Löwe würde der Ziege und der Kuh sofort das Geld wegnehmen, dabei sollten sie sich freuen, dass sie mit dem Leben davonkommen.  Das ist eine gemeine Lüge! Könnt ihr nichts Besseres? Habt ihr nichts Besseres drauf?  Die Buben zogen sich zurück und haben sich noch mal beraten, dann sagte der Zweite:

- Es war einmal eine großartige Köchin. Eines Tages schlachtete sie ein Hühnchen und briet es. Der Hausherr hatte Gäste zum Mittagessen eingeladen. Der Braten roch so gut, dass das Wasser einem im Mund zusammenlief.  Ich muss das Hühnchen unbedingt kosten – sagte die Köchin – vielleicht ist es ungesalzen.

Sie brach also einen Flügel ab. Dann, damit es nicht auffällt, brach sie auch den anderen Flügel ab. So aß sie Schritt für Schritt das ganze Hühnchen auf.

Dann ging sie zum Hausherren und sagte zu ihm: der Braten ist fertig, aber die Messer sind stumpf geworden, man sollte sie schärfen. Der Hausherr machte sich also an die Arbeit. Die Köchin empfing inzwischen die Gäste und sagte ihnen:

- Mein Hausherr ist verrückt geworden! Hören sie, wie er die Messer schärft? Er will sie alle töten. Daraufhin flohen die Gäste in allen Himmelsrichtungen. Die Köchin lief zum Hausherrn und sagte ihm:

- Sie haben aber komische Freunde! Sie sind angekommen, haben den Braten gestohlen und sind davongelaufen!

- Das ist eine wahre Geschichte. Ich kenne sogar die Köchin. Ihr habt ja keine Ahnung, wie man eine Geschichte erzählt. Ihr habt noch einen letzen Versuch! Ich habe doch nicht den ganzen Tag für euch Zeit. Wenn ihr es auch diesmal nicht schafft, dann bleibt ihr bei mir! Für immer!

Die Jungs hielten zum letzten Mal Rat. Die Hexe war aber so ungeduldig, sie mussten gleich beginnen:

- Es war einmal ein Zwerg, sein Name war Kiki.

Die Hexe blieb still, sie hatte zwar nie einen Zwerg gesehen, aber es könnte ja auch stimmen.

- Er war der größte Zwerg.

Die Hexe sagte kein Wort, sie konnte nicht widersprechen. Wer weiß schon, wie groß ein Zwerg sein muss?

- Sein bester Freund war der Riese Mimi. Er war der winzigste Riese. Sie waren wirklich gute Freunde. Eines Tages gingen sie los, um das Herz der hässlichsten Schönheit zu erobern. Die hässlichste Schönheit war die Tochter des ehrlichsten Räubers, dessen ganzes Vermögen ein einziger Apfel war. Der röteste grüne Apfel auf der ganzen Welt, der auch singen konnte. Jeden Abend sang der Apfel die fröhlichsten traurigen Lieder. Diese Lieder füllten das Herz mit süßer Bitterkeit.

Die Hexe regte sich, blieb aber still. Der Bube fuhr fort:

- Als der Zwerg und der Riese zum Haus des Räubers angekommen sind, wussten sie nicht weiter. Beide waren gleichermaßen vom Mädchen entzückt. Sollen wir uns nun schlagen? – fragten sie sich. Das geht doch nicht, wir sind ja Freunde. Kiki und Mimi – eine legendäre Freundschaft.

An dieser Stelle angekommen, sagten die Buben kein Wort mehr.

- Und? Wie gingls weiter?- Wir sagen es dir, aber du sollst wissen, dass wir Kiki und Mimi sind. Du musst aber vorerst erraten, wer von uns Kiki und wer Mimi ist.

Die Hexe grübelte eine Weile, aber sie konnte die Wahrheit nicht herausfinden. Sie hatte keine andere Wahl, sie musste sich geschlagen geben. Und sie musste ihr Wort halten, so befreite sie die Buben von den Eselsohren. Sie bat aber die Beiden, ihr zu erzählen, wie die Geschichte weiterging.

- Nichts einfacher als das. Die hässlichste Schönheit hatte auch eine Schwester. Sie war die schönste Hässlichkeit.

- Damit konnten beide – besser gesagt alle vier – glücklich leben.

- Und dann?

- Wie, und dann? Das warls! Wir gehen zur Hochzeit. Kommst du mit? Wir sind dir gar nicht mehr böse.

Aber die Hexe – die schlimmste unter den guten Hexen – ging nicht zur Hochzeit. Denn sie konnte sich bis heute keine Gewissheit verschaffen, ob die zwei Buben die Wahrheit erzählt haben, oder ob ihre Geschichte von Anfang bis Ende erlogen war.