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Die wörterkiste

Eine Geschichte von Alina Nelega, Übersetzt von Tilda Hoffmann M.A., Zeichnung von George Moldovan.
Interpretiert von Inge Ziegler.

Es war einmal ein Ort, woher die Wörter flossen. Sie flossen zufällig, manchmal tropften sie und manchmal strömten sie, aber sie flossen ununterbrochen. Es gab keine Sätze, die länger als zwei- drei Wörter waren, es gab auch keine Texte, es gab auch keine Geschichten, überall flossen nur Wörter: sie summten hervor, dort, wo man sie gar nicht erwartet hätte und sie waren überall vorzufinden. Aber sie hatten keinen Sinn. 
Man konnte sie nicht verstehen, weil sie so zahlreich und durcheinander angeordnet waren.

Eines Tages entdeckte Fantezissmus, ein guter Hexer und sehr pfiffig, die Quelle der Wörter. Er hatte sehr viel Spaß daran zu zaubern und manchmal war er richtig gemein, obwohl er wirklich ein guter Zauberer war, so wie ich es schon erwähnte.

Ihm hat es bei der Quelle der Wörter ohne Sinn seht gut gefallen. Eine Zeit lang spielte er mit den Wörtern, zuerst hatte er sie in Zehnerreihen und danach in Hunderterreihen angeordnet, dann webte er Teppiche aus Wörtern und baute Häuschen, in denen das Feuer angezündet war und aus dem Schornstein kam ein Rauch aus Wörtern heraus. Das ging so lange bis Fantezissmus sich anfing zu langweilen.

Und dann kam ihm in den Sinn etwas viel Schwierigeres zu zaubern, ein Zauber, der ewig dauern sollte und niemand sollte sich je langweilen. Er fing damit an, dass er die Wörter ganz genau studierte und er kam zu dem Entschluss, dass nicht alle Wörter gleich sind. Fantezissmus beobachtete, dass es Wörter gab, die sehr eingebildet waren, die alle Sachen, die so  herumlagen, benannten. Dann gab es Wörter, die andere Wörter nach sich zogen und diese Wörter folgten ihnen auch ganz gehorsam nach so, wie die Kücken ihrer Mutter folgen. Es gab auch unruhige Wörter, die Verbindungen zwischen den Wörtern herstellten. Es waren allerlei Wörter: Die humpelnden Wörter, die mürrischen Wörter, lange und kurze Wörter, gute und abstoßende Wörter. Die Wörter ähnelten einen Bienenstock und sie verhielten sich auch wie die Bienen: Sie flogen überall herum, sie konnten manchmal ganz schön schlimm stechen, aber manchmal gingen sie wie Honig runter.

Nachdem Fantezissmus festgestellt hat, wie viele Wortarten es gibt, fing er an die Wörter einzuordnen. Er nahm speziell dafür gefertigte kleine Kisten und baute verschiedene Dinge aus den Wörtern, die er danach in diese Kisten einlegte, um gut sie aufzubewahren. Manchmal brauchte er sehr viel Zeit, bis eine Kiste voll war und manchmal ging es ganz, ganz schnell. Er stellt diese Kisten in Regale und schickte sie in alle Welt, dass auch die Menschen davon etwas haben..

Die Menschen nannten diese Kisten “Bücher„. Die Bücher sind wie Kisten. Dort befinden sich die Dinge aus Wörtern, die von Fantezissimus sehr gut eingeordnet waren und wenn man sie öffnet, findet man unvorstellbare Sachen, Tiere und Flüsse, große Schiffe, Paläste und Feen, Kochrezepte, aber auch etwas kompliziertere Dinge, die sehr schwierig zu erzählen sind, so was wie Chemie- oder Matheunterricht. Einige Wörter aus gewissen Kisten laufen weg oder springen durchs Haus, sobald man das Buch aufschlägt. Entschuldigung- ich wollte sagen Fantezissmus Kiste. Irgendwann kommen diese Wörter wieder zurück und sie bleiben ganz artig und still in der Kiste bis wieder jemand kommt und die Kiste aufmacht. Sie können so Monate, Jahre, Jahrzehnte und sogar Jahrhunderte  bleiben. Manchmal bleiben sie jung, manchmal altern sie und wenn man die Kiste aufmacht, können sie nicht mehr so flink aus der Kiste springen, sie quietschen und sie brauchen dringend eine Erneuerung.

Sie werden dann unterstützt von anderen Wörtern, die jünger und moderner sind. Diese Wörter sind als Hilfe von Fantezissmus geschickt. Das geht, weil die Quelle der Wörter reibungslos und ohne Unterbrechung fließt und weil Fantezissmus, der Wortzauberer an der Quelle der Wörter sich eingenistet hat und er baut noch heute diese geheimnisvollen Kisten.