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Ayako, Ilinka und der verzauberte prinz

Eine Geschichte von Dan Lungu, Übersetzt von Tilda Hoffmann M.A., Interpretiert von Inge Ziegler, Zeichnung von Sebastian Ciubucă.

An dem Tag als meine Mutter ganz stark mit mir schimpfte, dass ich meine Zähne nicht putze, fragte mich meine beste Freundin, Ayako, ob wir uns nicht einen verzauberten Prinzen besorgen sollten. Sie hatte angeblich in einem alten Buch, mit zerrissenen Deckel und mit Kakaoflecken gelesen, wie wir so ein Geschöpf finden könnten. Ayako ist keineswegs ihr Spitzname, sondern ihr richtiger Name. So wie mich alle Menschen Ilinka rufen, so wird sie Ayako genannt, weil ihre Eltern aus Japan kommen.

Es könnte doch möglich sein, dass auf Japanisch „Ayako“ Ilinka heißt und gerade deswegen verstehen wir uns auch so gut...

Und wenn wir den verzauberten Prinzen fangen, was machen wir mit ihm?,“ fragte ich

„Ich weiß es nicht...wir stecken ihn in eine Schachtel und beobachten ihn...“
„Aber was geben wir ihn zum Essen?“Na ja, wenn er klein ist, füttern wir ihn mit Milch“, sagte sie.

„ Und wenn er schon groß ist, dann geben wir ihn Kohlrouladen“, fügte ich hinzu

 „ Was sind Kohlrouladen ? „, fragte Ayako verwundert.

„ Oh Gott, weißt du es wirklich nicht? Na dieser große gefühlte Haufen aus Reis und Hackfleisch, was wir immer essen mussten...“

„ Ach ja, jetzt weiß ich es! Eine Art rumänisches Sushi, aus Schweinefleisch...“, sagte Ayako

Danach haben wir uns etwas gestritten. Ich wollte gerne, dass der Prinz, wenn er doch so verzaubert ist, das er unsere Hausaufgaben für die Schule erledigt. Ayako war aber der Meinung, wir sollten ihn in der Schachtel lassen bis wir erwachsen sind und ihn dann  heiraten. Besser wäre es sogar, wenn wir gleich zwei Prinzen fangen würden. Einen für jeden von uns und die zwei würden sich auch nicht langweilen, wenn sie alleine zu Hause blieben. Sie könnten miteinander Samurai spielen

Ich vergas unser Gespräch, aber gestern Abend ist dann etwas ganz seltsames passiert. Ich kroch unter meine Decke, knipste das Licht in meinem Zimmer aus und betrachtete den Mond und die leuchtenden Sterne, die an meine Zimmerdecke strahlten. Die richtigen Sterne kann ich von meinem Zimmer sehr gut sehen, wenn der Himmel klar ist, weil ich doch  in der 8. Etage wohne. 
Aber an diesem Abend war der Himmel  bedeckt und die Fenster waren so dunkel, dass man dachte sie wären mit Heizöl beschmiert. Plötzlich hörte ich ein Klopfen an meinem Fenster. Zuerst dachte ich, es wäre ein Ast der von dem Wind an das Fenster gewedelt wurde oder eine Fledermaus, die sich geirrt hatte und gerade eine Beule bekam. Das Klopfen hörte aber überhaupt nicht mehr auf und mein Herzschlag wurde immer lauter. Ich zog  meinen Kopf unter die Decke  mit der Hoffnung, dass ich nichts mehr hören würde...Oh, jetzt bin ich wirklich in Schwierigkeiten . 

Aber ihr müsst auch zugeben, dass es keine Schande ist, in der dunklen Nacht in der 8. Etage sich vor einem unbekannten Besucher zur fürchten. Es hatte nicht lange gefehlt, dass ich rüber zu meinen Eltern geschrien hätte, die im Nebenzimmer mit geöffneter Tür schliefen. So hätte ich es vielleicht gemacht, wenn meine Neugier mich nicht  getrieben hätte nur mit einem Auge unter der Decke hervor zuschauen. In dem  Lichtstrahl am Fenster, das von einer Taschenlampe kam, konnte ich den Kopf eines Kindes erkennen, das mir etwas versuchte zu sagen. Ich hörte aber nichts.

Als ich besser hinschaute, erkannte ich Ayako, oder mindestens jemanden, der ihr sehr ähnlich sah. Ich hatte all meinen Mut zusammengenommen und mich dem  Fenster genähert. Die Gestalt winkte ganz verzweifelt mir zu und gab zu verstehen, ich sollte das Fenster aufmachen. Mit verwüsteten Haaren und schielenden Augen, die so lauerten  als könnte es doch ein übernatürliches Lebewesen sein, das die Gestalt meiner Freundin angenommen hat.

Aber so wie ihr Mund ununterbrochen ging, könnte sie es trotzdem sein. Ich war überhaupt nicht imstande zu sagen, ob es Wirklichkeit war oder nicht.
Mit dem Herzen eines verhungerten Flohes, der seit einer Woche nichts mehr zum Essen bekommen hatte, öffnete ich eine Spalte das Fenster.„Bist du es Ayako?“, fragte ich flüsternd

„Wer soll es schon sein? Etwa der Kaiser von Japan? Lass mich endlich herein, sonst pullere ich mir gleich ein!“

„Und wenn du ein übernatürlicher Geist bist?“

„Wenn es so gewesen wäre, hätte ich dich schon längst aufgefressen... wenn er groß wird, geben wir ihn Kohlroulade, ist das gut als Parole?“

Ich gab ihr meinen Schlafanzug und sie verschwand schnell zur Toilette.  Da wir dieselbe Größe haben, würde es niemanden auffallen, falls sie jemand im Haus treffen würde.

Sie gab mir den Zauberballon in meine Obhut, mit dem man nur nachts fliegen konnte,. Schläfrig hat mein Vater mit ihr etwas geschimpft, sie sollte doch abends nicht mehr so viel Tee trinken.

Nachdem sie zurückkam, zog ich mich auch an, wir hielten uns an dem Ballon fest und flogen los um den Prinzen zu suchen.

Ayako hatte sich alles aufgeschrieben. In einem Wald, der nur ihr bekannt war, mussten wir einen hässlichen Frosch fangen und ihm zwischen Mitternacht und einer halben Stunde nach Mitternacht  einen Kuss geben. Nach dem Kuss würde er sich in einen schönen Prinzen verwandeln. So war es in dem Buch geschrieben und wir zweifelten keineswegs daran. Je hässlicher der Frosch, um so besser.

In dem Wald musste ich mich ganz schön zusammenreißen, dass meine Zähne nicht klapperten. Es war stockdunkel und die Ăste knisterten fürchterlich. Ein Vogel breitete seine Flügel genau vor unserer Taschenlampe aus und schlug unsere Taschenlampe einen Meter weit von uns weg. Zum Glück ging das Licht nicht aus.

Auf einmal fanden wir einen Frosch mit Glotzaugen und mit einem so großen und weiten Mund wie eine Scheibe Wassermelone, aber er war Ayako immer noch nicht hässlich genug. Mit Hilfe eines Stockes drehten wir den Frosch um und Ayako flüsterte mir zu:

„Siehst du nicht, es ist nicht mal eine Kröte!“

So suchten wir weiter.

Endlich fanden wir eine Kröte, ziemlich hässlich, die unseren Vorstellungen entsprach. Wir sind vor lauter Freude hochgesprungen. Die Kröte war groß und breit wie eine reife Birne, die gerade von einem Lastwegen überfahren wurde. Sie war blind und mit orangenfarbigen Pünktchen bedeckt wie die ekelhaften Fischroggen. Es war fünf Minuten nach Mitternacht. Ayako küsste die Kröte zuerst. Da sie keine Verwandlungserscheinungen zeigte, reichte sie mir die Kröte. Ich schaute in ihr einziges Auge und ohne zu zögern küsste ich sie auf die Stirn. Die Zeit verging langsam und unser Prinz war nirgendwo zu sehen. Nach einer Stunde warten, hatten wir es aufgegeben und wir kehrten nach Hause zurück. 

Während wir über die Stadt flogen, hatten wir uns nur gestritten. Ayako sagte, dass vielleicht ihre Uhr vorging und so haben wir nicht die richtige Zeit abgepasst. Ich war aber überzeugt, dass ich eine hässliche, ekelhafte Kröte geküsst habe und nicht einen verzauberten Frosch.Bis frühmorgens hatte ich nichts anders gemacht, als nur von dem Scheusal zu träumen und habe mir ständig meinen Mund abgewischt. Das erste was ich machte als ich aufwachte, war meine Zähne zu putzen. Eine ganze Viertelstunde und mit einem Viertel der Zahnpastentube habe ich meine Zähne geputzt.„Bravo, sehr gut, so gefällst du mir“, rief mir meine Mutter zu. „Siehst du, dass eine etwas heftigere Auseinandersetzung mit unserer Tochter ab und zu auch mal ganz nützlich sein kann?“ sagte sie danach zu meinem Vater.