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Die Geschichte Joschi Piffanek und die Hühner

 Eine Geschichte von Jan Cornelius, Zeichnung von Ráduly Melinda

Es war einmal ein Mann, der hieß Joschi Piffanek.
Er lebte in Rio  Las Platas am Niederrhein.
Von diesem Ort hat noch keiner etwas gehört.
Die meisten behaupten, daß es Rio Las Platas an Niederrhein gar nicht gibt.
Aber Rio Las Platas am Niederrhein gibt es natürlich, sonst hätte Joschi Piffanek dort nicht leben können.
Joschi Piffanek hatte ziemlich verrückte Ideen.
Einmal hat er ein Fahrrad ohne Räder erfunden.
Jeder denkt, ein Fahrrad ohne Räder
kann nicht fahren. Das ist falsch.
Das radlose Fahrrad von Joschi Piffanek kann sehr wohl fahren.
Es hat sogar einen großen Vorteil, wenn man es mit einem normalen Fahrrad vergleicht:
Es hat nie einen Platten. Aber auch gar nie.
Weil nämlich das radlose Fahrrad keine Reifen hat.

Das war Joschi Piffaneks Erfindung.
Und weil Joschi Piffanek so ausgefallene Dinge erfand, setzte  er sich eines Tages auf einen Hocker
und sagte sich:
„Jetzt bleibe ich so lange hier sitzen,
bis mir die verrückeste Idee der Welt einfällt''.
Es dauerte ganze zweieinhalb Tage.
Dann stand Joschi Piffanek
von seinem Hocker auf und sagte:
„Ich werde den Hühnern von Rio Las Platas das Bellen beibringen.
Alle Hühner in dieser Stadt sollen Wau-wau sagen, statt wie bisher zu gackern.''
Joschi Piffanek mietete ein schönes Haus hinter dem Marktplatz und eröffnete  darin eine Hühnerbellschule.

Draußen an der Wand klebte ein Plakat:
„Habe ich nicht ein Fahrrad ohne Räder erfunden?'' fragte sich Joschi Piffanek zuversichtlich.
„Warum sollte ich es da nicht schaffen, den Hühnern das Bellen beizubringen?''
Und er machte sich fleißig an die Arbeit.
In seiner Hühnerbellschule erteilte Joschi Piffanek den ganzen Bellunterricht allein.
Er war der Bell-Lehrer, der Oberbell-Lehrer und der Oberbell-Direktor zugleich.
Aber die Anstrengung hat sich gelohnt.
Schon nach kurzer Zeit konnten alle Hühner aus Rio Las Platas am Niederrhein so gut bellen, daß die Wände
der Hühnerbellschule wackelten.
Und wenn sie dann auf der Straße gingen
oder im Hühnerstall saßen oder auf dem Dach des Hühnerstalls,
dann hörten die Hühner mit dem Bellen nicht mehr auf.
Sie freuten sich so, daß sie etwas Neues gelernt hatten, daß sie rund um die Uhr nur noch bellten:
„Wau-wau! Wau-wau!'' schallte es kreuz und quer durch die Stadt.
„Seid doch endlich still!

Das macht einen ja wahnsinnig! So ein Lärm!''
schimpften die Leute in Rio Las Platas am Niederrhein.
Aber das nützte ihnen gar nichts.
So verging eine ganze Woche.
Und noch eine Woche.
„Das halten wir nicht mehr aus!
Bring deine Hühner endlich zum Schweigen!''
Sie drohten Joschi Piffanek mit der Polizei.
Joschi Piffanek zuckte  nur mit den Schultern.
„Wie soll ich sie zum Schweigen bringen?
Sie hören doch nicht auf mich!''
Das stimmte.
Die Hühner ließen sich keine Befehle erteilen.

„Wir sind freie Hühner!
Wir tun genau das, wozu wir Lust haben!'' bellten sie.
„Das werden wir noch sehen, wer hier das Sagen hat!''
riefen die Einwohner aus Rio Las Platas am Niederrhein.
Dann stiegen sie in ihre Autos, in den Bus, in die U-Bahn, in die Straßenbahn und zogen nach Rio Las Platas vor Gericht.
„Das Bellen muß den Hühnern durch einen Gerichtsbeschluß
verboten werden!'' sagten sie.
Der Richter hörte, was die Leute erzählten, und wunderte sich.
„Ihr spinnt!'' sagte er.
„Hühner können niemals bellen. Diesen Quatsch mit Joschi Piffanek kaufe ich euch nicht ab.''
Dann schlug er mit dem Hammer auf den Richtertisch und schickte die Leute nach Hause.
Was in Rio Las Platas am Niederrhein noch passierte? Eines tages wurde den Hühnern ihr eigenes Gebell zuviel, und sie haben eine neue Fremdsprache gelernt.
„Ja, so war das'', beendete Tante Mathilde ihre Geschichte.
„Und jetzt ist Schluß für heute. Morgen komme ich dich besuchen.
Dann erzähle ich eine neue.''

Am nächsten Tag, als Tante Mathilde zu Besuch kam, fragte Sven:
„Hast du die neue Geschichte für mich schon erfunden?''
„Ja, unterwegs in der Straßenbahn'', sagte Tante Mathilde und begann.