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Der Wachhund

Eine Geschichte von Mediana Stan, Übersetzt von Katalin Nagy, Interpretiert von Inge Ziegler, Zeichnung von Sebastian Ciubucă

Aus dem Küchenfenster sah ich den halb verfallenen Lehmstall. Auf die Spitze eines nach außen ragenden Backsteins setzte sich ein Sperber und blickte in die weiße weite Ebene. Erst als das Haus fertiggestellt war und mir klar wurde, dass ich darin wohnen werde, hatte ich den rettenden Einfall: einen für mein Grundstück und Haus geeigneten Hund, der es Tag und Nacht bewachen würde, ohne sich von der eisigen Kälte stören zu lassen. Vor den Stall, in die Mitte des Hofes, stellte ich ein Häuschen für Baric, einen kleinen Schäferhund, der den ganzen Tag die Sperber, die Spatzen, die Hamster und alles, was sich sonst bewegte, anbellte. Sein Bellen füllte die Nacht, glitt zum Fluss hinunter und prallte an den Bergen ab.

Der kleine Hund wuchs und gleichzeitig wuchs auch mein Gefühl der Sicherheit. Er wurde immer gefährlicher und hatte eine besondere Abneigung gegenüber meine linken und rechten Nachbarn, Samu bácsi und Gabi bácsi. Er näherte sich der Umzäunung und bellte, bis sein Mund voller Schaum war. Leider hatte ich keinen soliden Zaun. So ein langer Zaun kostete sehr viel Geld und ich hatte noch nicht die nötige Summe zusammen. Auf der Seite zu Gabi bácsi gab es einen eisernen Zaun, aber eines Tages ließ der Alte ihn abbauen und verkaufte ihn, um sich dafür Holz zu kaufen.

Stattdessen stellten seine Enkel eine Reihe morscher Zaunbretter zwischen die Bäume, welche die beiden Grundstücke voneinander trennten. Sie waren halb verfault und ihre Ăste vom Wind bereits abgerissen. Hätte er mich zuerst gefragt, hätte ich ihm den Zaun bezahlt und ihn da stehen lassen. Aber als ich von der Arbeit nach Hause kam, war die Sache schon erledigt.

Am nächsten Tag hörte ich Lärm und sah, wie Baruc durch Gabis Hof hin und her rannte und seine Hühner jagte. Er war an einer niedrigen Stelle über den Zaun gesprungen und fiel mit den Brettern in die große Menge der Hühner, die ihre Körner pickten. Im winzigen Hof von Gabi bácsi schien der Hund noch größer und furchterregender. Ich rief ihn, aber er tat so, als ob er mich nicht hören würde und machte weiter.

Ich holte ihn eiligst vom Hof und als ich ihn an der Leine zog, weil er mir sonst nicht folgen wollte, sah ich an einem kleinen Fenster den langen, einem Klotz ähnlichen, mit einer hohen Mütze bedeckten  Kopf von Gabi bácsi. Wer weiß, wie lange der Alte schon da stand und schaute, ohne sich zu wagen, herauszukommen. Mir wurde heiß und ich zog zwei der drei Pullis, die ich trug, aus.

So begann ich, den Hund mit einer sehr, sehr langen Schlinge festzuhalten, so dass er sich bewegen, aber keinen Unfug mehr machen konnte. Baruc drehte sich um den Stall herum, sodass die Schlinge sich zusammenzog. Er begann, in einem weinerlichen Ton zu bellen und ich musste ihn befreien.
Gemeinsam mit meiner Frau Alma machte ich mich daran, einen kaputten Schuppen niederzureißen. Dann kam Samu bácsi zu uns – er hatte eine Flasche frisch gemolkener Milch mitgebracht - und setzte sich auf einen Holzhaufen. Er schaute zu, wie Baruc sich wie verrückt von der Leine zu befreien versuchte, während wir arbeiteten.

- Ihr habt euch einen Hund besorgt, der so groß ist wie eure Angst ... sagte er und begann uns zu erklären, warum Baruc so böse mit ihnen ist. Gabi bácsi und Samu bácsi waren Brüder. Samus, unser und Gabis Land waren ursprünglich ein einziges Grunstück gewesen, das später unter drei Brüdern aufgeteilt wurde. Baruc saß auf dem mittleren Teil und spürte, dass das Land um ihn herum seinem Herrn gehörte, sah aber, dass es von Fremden betreten wurde.

Genau das spürte auch der Hund seines Vaters, der Hund des Bruders, der vor uns dort gewohnt hatte, wie auch der Hund des Enkels, von dem ich das Land gekauft hatte. Jeder Hund, der in diesem Hof gewesen wäre, hätte sich genau so verhalten. 

Gerade als ich mit den Füßen auf einen Stumpf sprang, um ihn abzutrennen, sah ich wie Baruc mit seinem Häuschen hinter ihm herrannte. Er schleppte es durch den Garten, in dem kleine Bäume und Büsche wuchsen. Der Haken, an dem die Schlinge festgemacht wurde, war herausgerissen und ich hatte ihn am Stall festgebunden. Alma lief hin und versuchte, Baruc festzuhalten, aber vergeblich. Er war genau so groß wie sie, und wenn er seine Pfoten auf ihre Brust setzte, war er sogar größer.

So schnell er konnte stieg Samu auf den Dachboden des Stalls und ich konnte nur noch seine große Mütze sehen. Ich ließ alles stehen und liegen. Ich trug das Häuschen zu seinem Platz zurück, befestigte einen anderen Hacken am Beton, band den Hund fest und half Samu herunterzukommen.
An einem Abend, als wir in unsere Staße hineinfuhren, sahen wir Barucs weißen Kopf hinter dem Zaun wie auch den Schatten eines Dorfbewohners, der auf die andere Straßenseite ging. Jedes Mal, wenn wir unseren Hund ohne Leine vorfanden, fragten wir uns, ob irgendein Mensch, der von ihm gebissen wurde, nicht an unserem Tor klopfen wird oder aber ob Samu bácsi und Gabi bácsi noch gesund vor dem Feuer saßen. Wir öffneten die Tore und fuhren das Auto in die Holzgarage, während Baruc, auf den Hinterbeinen stehend, auch versuchte, es mitzuschieben.

In einem Verschlag hielt ich einen Esel, den Samu uns geschenkt hatte. Ich gab ihm Heu und band den Hund fest, während Alma Stroh in den Hühnerstall stopfte, damit die Hühner in der Nacht nicht frieren. Es wurde so kalt, dass ich den Eindruck hatte, die Luft würde erstarren und hart wie Metall werden. Wir gingen ins Haus. Ich rief meine Katze und machte Feuer. Wir aßen Brot mit Käse und gingen schlafen.

Es fühlt sich gut an, wenn man sich bei so einer Kälte in seinem warmen Haus erholen kann, während ein furchterregender Riesenhund den Hof bewacht. Doch schon nach kurzer Zeit hörte ich, wie Baruc laut bellte. Inzwischen konnte ich erkennen, ob er aus Spaß oder aus Pflichtbewusstsein die Leute im Vorbeigehen anbellte, oder ob er sich übere unsere Ankunft freute. Es hörte sich anders an, wenn er die Katze, die am Ende seiner Leine lief, anbellte. Er bellte, wenn Samu bácsi und Gabi bácsi durch ihre Höfe gingen, wenn der Sperber sich auf den Backstein setzte oder wenn die Hamster aus der Werkzeugkarre herauskamen. Aber jetzt bellte er aus Hass gegen Eindringlinge.

Ich stand auf und hörte aufmerksam zu. Nein, ich hatte mich nicht getäuscht. Es war wirklich diese Tonlage. Ich griff nach einer Taschenlampe und einem Prügelstock, den ich hinter der Tür bewahrte, und rannte nur in Socken hinaus. Ich richtete das Licht auf die Seite, aus der der Hund bellte. Baruc kam erst zu mir, dann lief er, so weit die Schlinge reichte, zum hinteren Teil des Hofes. Ein großer Igel lief durch die gefrorenen Unkräuter. Ich schob den Igel auf eine Kehrschaufel und brachte ihn ins Haus, damit Alma ihn auch sehen konnte. Ich drehte ihn auf alle Seiten und brachte ihn zurück ins Gebüsch. 
Ich war schon wieder eingeschlafen als Alma mich anstieß.

- Was ist?, fragte ich.

- Baruc bellt und bellt verzweifelt ...

- Oh Gott!, murmelte ich und deckte mich zu.

Aber sein Bellen gab mir doch keine Ruhe. Hm! Ich stand auf und ging wieder mit Taschenlampe und Stock hinaus. Der Hund schien um die Werkzeugkarre besorgt zu sein – unter ihr gab es einen Keller voller Möhren und Kraut. Ich drehte eine Runde durch den Obstgarten, an den Zäunen vorbei, ich schaute auch in die Nachbarnhöfe und kam ins Haus zurück. Alma schaute durch das Fenster in die Dunkelheit hinaus.

- Es sind die Hasen, seufzte sie, ich sah sie unter den Bäumen springen.
Ich schlief wieder ein und während wir in das Land der Träume hinabstiegen, hörte ich Baruc bellen. Wir glitten nach unten, die Geräusche wurden immer leiser, blieben oben und an einem bestimmten Moment schwebten wir über ruhigen Gewässern, von Wattemauern umgeben. Im Diesseits fand ein stummer Kampf statt, der uns nicht erreichen konnte. Als wir aufwachten, glänzte der Wintermorgen und die Uhr an der Wand zeigte sieben Uhr morgens.

Zu dieser Zeit warteten die Hühner darauf, dass wir sie fütterten. Sie schauten durch die Löcher des Maschendrahtzaunes, der mit trockenen Ăsten bedeckt war. Aber jetzt waren alle verschwunden. Nur der Hahn, der auf den Stall gesprungen war, krähnte wie verrückt und flatterte mit den Flügeln. Ich ging aus dem Hühnerstall hinaus und rief Baruc, so laut ich konnte. Ich rannte über den Hof, ich ging in den Werkzeugschuppen, und da blieb mir der Atem weg. Dort befand sich vormals eine Karre eines früheren Besitzers, die nun auch verschwunden war. Ich drehte eine Runde um das Haus und stieß gegen Alma, die von der anderen Seite hergerannt kam und auch auf der Suche war. Wir liefen zum Stall: Da war auch der Esel verschwunden. Baruc war ebenfalls nicht mehr da.

Ich lief ins Haus, um die Polizei anzurufen und der Hahn lief mir hinterher. Er sprang auf den Tisch in der Mitte des Zimmers und begann vor lauter Wut mit den Flügeln zu flattern und zu krähen. Ich hielt den Hörer in der Hand, und während ein Polizist mir ruhig eine ganze Reihe von Fragen stellte, hielt ich den Hörer unter seinen Schnabel und ging raus, um mich bei meinen Nachbarn zu beklagen.

So, so, dein Hund ist verschwunden, sagte Gabi báci mit einem spielerischen Glanz in den Augen.

Um den Hund soll es Ihnen nicht Leid tun ... Samu machte eine plötzliche Geste mit der Hand und schob seine Mütze noch tiefer über die Stirn. Aber um die Hühner und um den Esel ist es schade!

Gabi bácsi lief auf das Feld und nahm mich mit. Er zeigte mir die Supren der Holzkarre auf der Erde.

- Schau, diesen Weg sind sie gefahren.

Er zeigte mit der Hand in die Weite des Feldes. Ich schaute und sah wie ein weiß-schwarzer Punkt sich aus einer Nebelwolke herauskristallisierte. Es ist Baruc! Er rennt um eine Pfütze mit Schilf und wird immer größer. Gabi bácsi sagte schnell Viszontlátásra und verschwand in seinen Hof. Wenn mein Hund in so einem Tempo läuft, versuche ich immer ihm aus dem Weg zu gehen, sonst stößt er mich um. Der Sprung zur Seite gelingt mir nicht immer und auch diesmal gelang es mir nicht. Der Hund warf sich auf mich und ich fiel um.

Ich hielt ihn fest, nahm ihn an die Leine und wir liefen gemeinsam in die Richtung, aus der er gekommen war. Baruc zog mich hinter sich her. Erst in dem dritten Dorf blieb er vor einem Haus stehen und fing zu bellen an. Als ich klopfte, kamen zwei Jungs heraus. Sie waren die Täter. Sie hatten den Hund gestohlen, um ihn für viel Geld zu verkaufen, die Hühner und den Esel brauchten sie selbst. Die Karre, die ich sehr schätzte weil sie alt war, wollten sie verbrennen. Sie hatten Baruc in einen Lagerraum gesperrt, aber Baruc zerbiss die Leine, sprang durch eine Öffnung und lief weg. Das hatten sie nicht erwartet. Ich weiss nicht, warum ich den Eindruck hatte, dass etwas nicht stimmte.

- Wart ihr zu zweit?

- Nein, aber Zsolt, Schlange und Pătru sind beim Arzt.

Ich ließ ihnen etwas Geld da, um ihre Wunden zu heilen, nahm meinen Esel, die Karre und die Hühner und ging nach Hause. Baruc hatte ich an die Karre gebunden. Als ich mich meinem Hof näherte sah ich einen Polizisten, der sich mit dem Hahn stritt. Alma hatte sich sicherlich hinter der Gardine versteckt und genoss, so wie ich sie kannte, die Szene.

Ich wartete, bis sie weggingen, mit der Karre auf dem Feld.