Frederico, das Elefantenkind
Eine Geschichte von Jan Cornelius, Zeichnung von Sebastian Ciubucă.
Interpretiert von Inge Ziegler.
Frederico, das Elefantenkind
War zum erstenmal ganz allein zu Hause.
Er wohnte mit seinen Eltern
mitten im Elefantewald.
Frederico war sehr neugierig. Also öffnete er leise die Tür
und wagte sich hinanus. Den Rüssel voraus spazierte er
durch den Elefantenwald. Auf Schriit und Tritt
begegnete er anderen Elefanten. ,,Guten Tag, Frederico!”
begrüßten ihn alle. ,,Guten Tag!” antwortete Frederico
und hob seinen Rüssel.
„Machst du einen kleinen Spaziergang?”
rief ihm ein Onkel zu. „Ja, Onkel”, sagte Frederico.
„Wie geht es dir, Frederico?”
fragte ihn eine Tante,
und Frederico antwortete:
„Gut, Tante , gut!”
Und er lief und lief immer weiter. Er merkte gar nicht,
daß er den Elefantewald
längst verlassen hatte
und in den ganz fremden Wald geraten war.
Dort traf er eine n Löwen.
Frederico hatte noch niemals
einen Löwen gesehen.
„Ich heiße Frederico.Und wer bist du?”
Der Löwe gab keine Antwort.
Er brüllte einfach los, so laut er konnte.
Er brüllte so laut, daß die Baüme zitterten.
„Was ist denn das ?”staunte Frederico.
„Kannst du nicht reden?”
Da fragte der Löwe erstaunt!”:
Hast du denn keine Angst vor mir?”
„Angst? Was ist denn Angst?”
fragte Frederico.„Angst”, sagte der Löwe, „ist etwas,
das man hat, wenn man einen Löwen sieht
und zittert.” Frederico sagte: „Ich zittere nur dann,
wenn mir kalt ist.” „Du hast aber Mut”, sagte der Löwe.
„Mut? Was ist denn Mut?” fragte Frederico.
„Mut ist etwas, das man hat,
wenn man einen Löwen sieht
und nicht zittert” sagte der Löwe.
„Bis auf dich, Frederico,
haben alle vor mir gezittert.
Sie haben gezittert und sind weggelaufen.”
Frederico sagte : „Das ist aber gar nicht lustig für dich.
Das heißt doch, daß du immer
allein bist.” Der Löwe nickte.
Frederico hatte eigentlich recht.
Er war wirklich sehr einsam.
„Komm doch mir mir”, sagte Frederico.
Da gingen sie zusammen weiter,
immer tiefer in den ganz fremden Wald hinein.
Als sie schon sehr weit gegangen waren,
trafen sie einen Zauberkünstler.
Der trug einen riesigen Hut,
stand unter einem Baum and zauberte.
Aus einer Blume zauberte er
einen Luftballon,
und aus einem Luftballon wieder eine Blume.
Er lächelte sehr vergnügt
Man konnte sehen,
daß ihm das Zaubern großen Spaß machte.
Warum tut er denn das? dachte Frederico.
Fast hundert Luftballons
schwebten jetzt langsam über den Wald.
Jeder von ihnen war größer als ein Baum,
und sie hatten wundervolle Farben.
Sie sahen aus wie ein tanzender Regenbogen.
Der Zauberkünstler merkte,
daß Frederico ihn beobachtet. Er fragte:
„Sind meine Luftballons nicht schön?”
„Doch”, sagte Frederico.
„Das muß ich zugeben.” Dann kam der Löwe hinter einem Baum hervor
und brüllte laut, wie es seine art war.
Er brüllte so laut, daß hoch oben
ein Luftballon platzte.
Der Zauberkünstler fing an zu zittern.
„Hab keine Angst”, sagte Frederico,
„der Löwe ist mein Freund. Er tut niemandem etwas.”
Aber der Zauberkünstler zitterte weiter.
„Sag ihm doch selbst, daß du keinem etwas tust”,
bat Frederico den Löwen.„Frederico hat recht”,
sagte der Löwe.
„Ich brülle nur zum Spaß. Genau wie du zauberst.”
Dann erzählte der Löwe dem Zauberkünstler,
wie einsam er war , bis er Frederico getroffen hatte .
Da hatte der Zauberkünstler,
keine Angst mehr vor dem Löwen.
Er sagte:
„Löwe, ich möchte dein Freund sein.”
Da sagte Frederico : „Wer der Freund des Löwen ist,
ist auch mein Freund.” Das war gut so, denn jetzt waren sie drei,
und zu dritt macht der Weg mehr Spaß als zu zweit.
Und so marschierten sie alle drei immer weiter durch den Wald.
Frederico ging voraus, der Löwe hinter ihm
und zum Schluß der Zauberkünstler.
Einmal nahm der Zauberkünstler seinen Hut ab
und zauberte ein paar Hasen heraus. Der Löwe war sehr überrascht.
Er war so überrascht, daß er schon wieder brüllte.
Diesmal brüllte er so laut, daß die Hasen vor Schreck
aus dem Hut direkt in den Wald liefen.
Frederico sagte :”Mein Freund, du übertreibst mal weider!
Kannst du dich nicht beherrschen?”
„Doch, Frederico”, antwortete der Löwe.
„Jetzt höre ich auf zu brüllen.”
Als der Zauberkünstler das nächste Mal
einen Hasen aus dem Hut zauberte,
gab der Löwe sich große Mühe, nicht zu brüllen.
Er blieb mucksmäuschenstill.
So still, daß der Hase keine bißchen Angst hatte.
Und wer keine Angst hat, der läuft auch nicht weg.
Jetzt hoppelte der Hase hinter den drei Freunden her,
und das war gut so, denn jetzt waren sie vier,
und zu viert macht der Weg mehr Spaß
als zu dritt. „Du bist auch unser Freund, Langohr”,
sagten sie zu ihm. Der Zauberkünstler sagte:
Denn wer brüllt, erschreckt seine Freunde.
Und sie marschierten weiter und weiter
durch den ganz fremden Wald.
„Wohin laufen wir denn?” wollte der kleine Hase plötzlich wissen.
Der Zauberkünstler antwortete: „Das ist eine gute Frage.”
Zum Löwen sagte er: „Löwe, der kleine Hase will wissen,
wohin wir denn laufen ?” Und der Löwe fragte:
„Frederico, wohin laufen wir denn?”
Frederico wußte das auch nicht.
Aber er lief eben ganz vorne,
und der erste muß immer entscheiden,
wo es hingeht. Also sagte er:
„Gehen wir zurück in den Elefantenwald.
Da bin ich zu Hause. Ich lade euch alle zu mir ein.”
das war keine Schlechte Idee, denn die Elefantenmutter
und der Elenfantenvater
machten sich schon längst Sorgen um Frederico.
Nachdem Frederico und seine drei Freunde
lange, lange gelaufen waren, kamen sie endlich wieder
im Elefantenwald an. Die Elefantenmutter
und der Elefantenvater
freuten sich sehr, als sie ihr Elefantenkind wieder hatten.
„Wo warst du denn?” fragten sie ihn.
„Ich war weit weg”, sagte Frederico.
„Und das sind meine besten Freunde.”
Am Nachmittag gab es ein großes Fest, zu dem alle
Elefanten aus dem Elefantenwald eingeladen waren.
Der Elefantenvater spielte Akkordeon,
der Löwe blies die Tuba,
der kleine Hase zupfte die Baßgeige,
Frederico schlug die Trommel,
und alle adern tanzten zur Musik.
Nur der Zauberkünstler tanzte nicht.
Der stand mittedrin und zauberte
Tausende von Luftballons aus seinem Hut.
Und das war gut so, denn mit Luftballons
war alles noch viel lustiger.